Um ein Mainboard zu reparieren, lohnt es sich manchmal ein “Reflow” durchzuführen.
Einige Laptop-Hersteller hatten Probleme mit dem Grafikchip von nVidia vom Typ GeForce 8400M und einigen anderen. Hier gab es, meistens nach der Gewährleistungszeit, Probleme mit der Grafik. Der Laptop ist so eigentlich nutzlos. Durch thermische Veränderungen lösten sich die Lötverbindungen unter den Chips. Ein möglicher Grund hierfür könnte mangelhaftes Lötzinn bzw. Flussmittel sein. Manchmal verschwand das Problem nach einer Abkühlphase, manchmal dadurch, dass der Chip sich stark erhitzte und dann wieder abkühlte. Oft bleibt der Fehler allerdings.
Auch die Playstation 3 mit der Bezeichnung CECHC04, ich glaube man nennt sie auch “Fat Lady”, hat dieses Problem. Die Playstation quittiert diesen Fehler meistens mit einem YLOD – “Yellow Light of Death”, die sogenannte Meldung für den Hitzetod.
Wirklich defekt ist so ein Gerät aber erstmal nicht. Es liegt nur an den nicht mehr vorhandenen bzw. stabilen Lötverbindungen. Leider kann man diese Lötpunkte nicht mit dem Lötkolben erreichen, um neues Lötzinn und Flussmittel an die Lötpunkte zu bringen, denn diese liegen ja unter den Chips.
Die Lösung: Ein Reflow des Lötzinns.
Man muss hier also anders vorgehen. Einfaches Erhitzen bringt meistens keine Verbesserung, da das Lötzinn träge bleibt und aufgrund der Oberflächenspannung nicht mehr verläuft, um die nötigen Verbindungen wiederherzustellen.
Als Flussmittel kann man sehr gut Kolophonium benutzen. Das erhält man im gut sortierten Elektronikladen oder auch in einem Musikgeschäft als Pflegemittel für Geigenbögen, um die Rosshaare für einen besseren Klang geschmeidig zu machen.
Es ist auch als “Löthonig” bekannt, welches bei Conrad in flüssiger Form in einer Tube gekauft werden kann. Ebenso ist Kolophonium auch online bei vielen Elektronikhändlern zu beziehen.
Dieses wird in Spiritus aufgelöst. Die Lösung sollte möglichst gesättigt sein. Ich bewahre meine Lösung in einem alten Gurkenglas auf.
Flussmittel beim Reflow ersetzen:
Ich habe schon einige Anleitungen gelesen und das Verfahren des Reflowing mit Heimmitteln ist ja nicht ganz neu. Ich möchte hier beschreiben wie ich dabei vorgegangen bin.
Zunächst habe ich das Mainboard aus meinem Laptop ausgebaut.
Lüfter, Prozessor und Speicher und was sonst alles abgebaut werden kann, sollte auch vom Mainboard entfernt werden.
Um diesen Grafikchip geht es hier:
Und hier auch das Mainboard aus meiner Playstation 3, allerdings noch nicht gereinigt:
Wärmeleitpaste muss in jedem Fall gründlich entfernt werden. Hierzu eignet sich Leiterplattenreiniger oder auch Spiritus. Bei der Playstation 3 war auch ein wenig sanfte Gewalt nötig, in dem ich die angetrocknete Wärmeleitpaste vorsichtig abgekratzt habe. Beim Mainboard des Laptops sollte das aber auf keinen Fall gemacht werden, da hier der Grafikchip zu leicht beschädigt wird.
Das Flussmittel “auftragen”:
Nachdem diese Vorarbeiten erledigt sind, wird nun das Flussmittel, also das gelöste Kolophonium, in eine Spritze gefüllt. Ich nutze eine, wo ich die Kanüle abgeflacht und stumpf gemacht habe.
Übrigens das Zeug klebt tierisch! Nach der Benutzung also wieder zurück ins Glas und die Spritze ordentlich ausgespült.
Ich spritze das Flussmittel langsam unter den Chip, sozusagen tröpfchenweise, bis die Kapillarwirkung das Kolophonium unter den Chip gezogen hat. Das mache ich abwechselnd von jeder Seite. Ein leichtes Schräghalten des Boards kann dabei nicht schaden, um das Kolophonium für den Reflow überall unter dem Chip zu verteilen. Wenn kein weiteres Flussmittel durch die Kapillarwirkung unter den Chip gezogen wird und es beim Schräghalten an der Seite rausläuft, hat man genügend Kolophonium unter den Chip gebracht.
Hier habe ich etwas viel Kolophonium aufgetragen und es ist auch etwas auf dem Chip gelandet. Das macht aber nichts, man kann es gut abwischen, solange sich der Spiritus noch nicht verflüchtigt hat. Ansonsten einfach ein Tuch mit etwas Spiritus nehmen und damit dann abwischen.
Als nächstes muss sich der Spiritus verflüchtigen, damit das Kolophonium unter dem Chip wieder zäh wird. Hier kann man einen normalen Haartrockner nehmen oder das Mainboard auf die Heizung oder auch in die Sonne legen.
Die Vorbereitung für den Reflow:
Während der Spiritus verdunstet, bereite ich Alufolie vor. Der erste Teil ist 3-fach gelegt und deckt alles direkt um den Grafikchip genau ab:
Dieses Stück wird dann über den Grafikprozessor gelegt und flach auf das Mainboard gedrückt. Es sollte sich hier keine Luft mehr zwischen der Folie und dem Mainboard befinden, damit es beim Reflow mit der Heißluftpistole nicht zu einem Hitzestau auf dem Mainboard durch eingeschlossene heiße Luft kommt. Die Hitze ist ja so hoch, dass sich das Lötzinn verflüssigt, und die heiße Luft würde dafür sorgen, dass das Lötzinn an den Stellen bzw. Bauteilen flüssig wird, wo das nicht sein soll. Dadurch könnten sich Bauteile lösen.
Übrigens ist auf der anderen Seite des Mainboards ebenso eine Aussparung in der Alufolie unter dem Grafikchip nötig.
Nach und nach wird das Mainboard immer weiter in Alufolie verpackt.
Bis es dann vollständig eingepackt ist:
Ich gehe beim Reflow folgendermaßen vor:
Zunächst nehme ich ein Handtuch, mit dem ich das Mainboard halten kann, denn es wird doch sonst zu warm und man müsste unfreiwillig loslassen bevor man fertig ist.
Dann schalte ich die Heißluftpistole ein, die auf 300°C eingestellt ist bei einem Luftfluss von ca. 300 Liter/Minute. Dann starte ich eine Stoppuhr, die ich dabei immer im Blick habe. Denn die Zeit ist beim Reflow sehr wichtig.
Folgende Zeiten haben sich bei all meinen Reflow-Versuchen als genau passend herausgestellt:
– 15s unten
– 15s oben
– 15s unten
– 15s oben
– 10s unten
– 10s oben
– 10s unten
– 10s oben
Dazwischen das Mainboard möglichst behutsam, also nicht ruckartig, wenden. Dabei aber ruhig zügig vorgehen.
Danach sollte das Mainboard mindestens 30 Sekunden ruhig gehalten werden, um ein versehentliches Abfallen von Bauteilen zu vermeiden. Dann kann die Alufolie vorsichtig, und möglichst ohne sich die Finger zu verbrennen, entfernt und das Mainboard nach dem Reflow zum Abkühlen abgelegt werden. Zum Beispiel draußen auf der Fensterbank.
Falls beim ersten Versuch das Reflowing nicht erfolgreich war, kann man im zweiten Versuch noch ein weiteres Mal jeweils für 10 Sekunden unten und oben erhitzen.
Ich halte beim Reflow einen Abstand von ungefähr 3 bis 5cm zwischen der Heißluftpistole und dem Grafikchip. Hierbei kreise ich über die komplette Oberfläche des Chips.
Hier im Video siehst du mein Reflow des HP-Mainboards:
Nach dem Reflow sollte die Oberfläche des Chips vorsichtig gereinigt werden. Dann wird neue Wärmeleitpaste aufgetragen. Ich empfehle hier Wärmeleitpaste mit mindestens 9 W/m °C wie zum Beispiel die “akasa 450”.
Dann werden die gereinigten Kühlkörper und Lüfter montiert und der Laptop oder auch die PS3 für den ersten Test zusammengebaut.
Wie man hier sieht, hat das bei dem Mainboard des Laptops direkt beim ersten Mal geklappt:
Bei der Playstation 3 hat es einen zweiten Versuch gebraucht.
Wer die Möglichkeit hat, das Mainboard bzw. den Grafikchip mit einem guten Thermometer beim Reflow zu überwachen, kann auch nach folgendem Schema beim Reflowing vorgehen:
Erhitze das Mainboard immer im Wechsel, jeweils unten und oben für je 20 Sekunden, bis es 130°C erreicht hat.
Lasse es dann für 30 Sekunden liegen.
Dann erhitzt du weiter, wieder oben und unten, für je 15 Sekunden, bis das Mainboard 160°C erreicht hat und dann nochmal 10 Sekunden von unten, sowie 10 Sekunden von oben.
Merke dir die Temperatur, die das Mainboard dann erreicht hat.
Wenn der Reflow ohne Erfolg war, erhitzt du beim zweiten Versuch um 10°C höher, indem du den letzten Schritt des Erhitzens wiederholst, also dabei nach 10 Sekunden je Seite nicht aufhören, sondern weiter machen, bis das Board 10°C heißer ist.
Super Anleitung. Habe damit meinen Onkyo 8050 Receiver repariert. Der hat eine bekannte Macke durch fehlerhafte Verlötung des DTS-Chips auf der Netzwerkkarte. Die Umtauschaktion war 2018 abgeschlossen und die Austauschkarte gibt’s nicht mehr. Also gedacht, ab in die Wertstofftonne. Dann hier gelandet und etwas skeptisch von dieser Heimwerkerlösung eines Reflowing gelesen. Na, gut Versuch macht klug. Hat auf Anhieb funktioniert. Konnte es als alter Elektrotechniker kaum glauben. Eine Anmerkung noch: der Chip hat nicht die Größe eines CPU- oder Video-Chips und ist nur 15 x 15 mm groß. Bei der Größe habe ich die Zeiten etwas verringert und es hat ausgereicht nur die Chipseite zu erwärmen. Die Unterseite hat sehr kleine cmd-Widerstände und ich hatte Sorge, die könnten sich entlöten und auf Nimmerwiedersehen weggeblasen werden. Zeiten: 10-[10]-10-[10]-8-[8]-[8]-7, in [] und die Pause.
Herzlichen Dank Robert
Hi Robert,
danke für deinen Kommentar:) Es freut mich, dass die Anleitung dir geholfen hat deinen Receiver zu reparieren. Ein ähnliches Problem hatte bei mir auch mal ein Yamaha Receiver.
Hallo Harry,
das gleiche Problem habe ich derzeit auch mit meinem Yamaha AVR. Wie bist du da vorgegangen. Denn da ist der Regel das Problem, dass die Verbindungen vom Siliziumchip zum Chipgehäuse versagen und nicht die Pins. Flussmittel unter den Chip zu bringen scheint fast unmöglich. Wenn ich den Chip mit dem Fön anpuste läuft der AVR für ein paar Minuten ohne Probleme. Mit der Heißluftpistole habe mich bisher nur noch nicht ran gewagt…
Falls du Tipps hast, vielen Dank im Voraus
Hi Michael,
sofern die Chips nicht noch irgendwie verklebt sind, bekommst du auch Flussmittel unter die Chips.
Aber wenn da ein Fön reicht, dann sollte das Problem nicht so gross sein. Probier es einfach mal. Die Zeiten würde ich von Robert mal probieren.
Ich habe meine Zeiten da nicht mehr im Kopf. Sie waren aber kürzer als bei der Playstation oder dem Laptop.
Gruss Harry
Hallo Harry,
mangels Zeit es hat etwas gedauert aber es war von Erfolg gekrönt. Habe den AVR so gehalten, dass der Chip über Kopf stand.2x 20 Sekunden bei 300°C in 20 CM Abstand auf den Cip (Rest mit Alufolie abgedeckt), auf dem Kopf abkühlen lassen. Das hat den Siliziumchip wieder mit dem Chipgehäuse komplett verbunden und das Gerät läuft wie am ersten Tag.
Vielen Dank noch mal für die Tipps, ein Gerät mehr, dass vor dem Schrott bewahrt wurde.
VG Michael